Das Amtsgericht Hamburg-Mitte meint: Eine GbR kann sich nicht auf Eigenbedarf berufen. Am 18. September 2025 hat das Gericht deshalb die Klage einer von uns vertretenen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (eGbR) auf Räumung einer Wohnung wegen Eigenbedarfs abgewiesen (Az.: 44 C 159/25, noch nicht rechtskräftig).
Im Kern ging es um die Frage, ob eine GbR als Vermieterin von Wohnraum nach dem neuen Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Kurz: MoPeG) überhaupt Eigenbedarf geltend machen kann.
Zum HintergrunD: Altfälle
Der Bundesgerichtshof (BGH) befasste sich in seinem Urteil vom 10. Juli 2024 (VIII ZR 276/23) zwar mit der Eigenbedarfskündigung einer GbR. Jedoch bestätigte er lediglich deren Zulässigkeit, wenn die Kündigung vor dem 31.12.2023 ausgesprochen worden war. Die Frage, welche Auswirkungen das am 01.01.2024 in Kraft getretene MoPeG auf die Zulässigkeit einer danach ausgesprochenen Kündigung haben würde, ließ er jedoch unbeantwortet. Das Amtsgericht Hamburg-Mitte hat nun diese offene Flanke genutzt und eine von einer GbR im Jahr 2025 ausgesprochene Kündigung für ungültig erklärt.
Keine direkte Anwendung
Rechtsfähige Personenvereinigungen wie eine GbR konnten sich schon vor dem MoPeG nicht direkt auf den Eigenbedarfsparagrafen berufen. Nach dieser Vorschrift kann der Vermieter nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Und das ist nur der Fall, wenn er die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Und da eine Gesellschaft (also auch ein GbR) so etwas nicht hat, kann sie „denklogisch“ keinen Eigenbedarf haben.
Aber analoge Anwendung
Nach der Rechtsprechung des BGH konnte allerdings eine GbR in entsprechender (analoger) Anwendung des Eigenbedarfsparagrafen für einen ihrer Gesellschafter Eigenbedarf geltend machen. Und das aus folgenden Gründen:
- Der BGH hat die GbR als eine mit der Bruchteilsgemeinschaft (d.h. mehreren Personen gehört eine Immobilie) vergleichbare „Vermietermehrheit“ eingestuft. Die analoge Anwendung sollte sicherstellen, dass der einem natürlichen Vermieter zustehende Eigenbedarfsspruch nicht „zufällig“ verloren ginge, nur weil die Eigentümergemeinschaft die Rechtsform der GbR gewählt hatte. Die Vergleichbarkeit der Interessenlage begründete der BGH damit, dass es oft nur vom Zufall abhänge, ob eine Personenmehrheit eine Wohnung oder ein Haus als Gemeinschaft oder als GbR erwerbe.
- Der BGH meinte, dass die von ihm selbst im Jahre 2001 bestätigte Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Außen-GbR eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte, planwidrige Lücke geschaffen habe. Diese Lücke sei durch die analoge Anwendung des Eigenbedarfsparagrafen auf die GbR zu schließen. Damit sei der ungerechte Verlust des Eigenbedarfsprivilegs für Vermieter zu verhindern.
der BGH behandelte also die GbR mietrechtlich mietrechtlich bevorzugt, obwohl sie gesellschaftsrechtlich bereits weitgehend als eigenständiges Rechtssubjekt anerkannt war.
Das Amtsgericht Hamburg 2025
Das Amtsgericht Hamburg gelangt zu dem Schluss, dass die vormals durch den BGH erlaubte Anwendung des Eigenbedarfsparagrafen auf Gesellschafter einer GbR seit dem Inkrafttreten des MoPeG nicht mehr gerechtfertigt ist.
Der Gesetzgeber habe mit dem MoPeG die zuvor nur richterrechtlich anerkannte rechtsfähige Außen-GbR umfangreich neu geregelt. Trotz der bekannten Problematik, dass eine GbR formell betrachtet keinen Eigenbedarf haben könne, habe der Gesetzgeber den Eigenbedarfsparagrafen bewusst nicht auf das neue Personengesellschaftsrecht angepasst.
Das Amtsgericht ist der Auffassung, dass dieses Versäumnis des Gesetzgebers als qualifiziertes Schweigen zu werten sei. Dies bedeute, dass keine planwidrige Gesetzeslücke mehr vorliege, da der Gesetzgeber die Lücke gekannt und bewusst entschieden habe, sie nicht zu schließen.
Die zukünftige Zulassung einer Eigenbedarfskündigung für die GbR würde also zu einer unbegründeten Privilegierung gegenüber anderen rechtsfähigen Personenvereinigungen führen. Das MoPeG ziele aber auf eine stärkere Formalisierung der GbR ab. Und diese Stärkung schliesse eine Ausnahme im Mietrecht aus.
Das Amtsgericht Hamburg trägt hier also die gesellschaftsrechtliche Konsequenz der MoPeG-Reform bis in das Mietrecht hinein.
Ausblick
Soweit ersichtlich handelt es sich bei dem Urteil des Amtsgerichts Hamburg um das erste Urteil seit dem MoPeG, in dem der Eigenbedarf für die GbR generell verneint wird. Andere Gerichte werden diesem Urteil folgen oder abweichende Entscheidungen treffen. Die noch offene Rechtsfrage wird letztendlich vom Bundesgerichtshof oder vom Gesetzgeber geklärt werden müssen.
Sollte das Verbot des Eigenbedarfs für die GbR bestehen bleiben, hätte dies nachteilige Konsequenzen für viele Familien, die Immobilien traditionell in der Rechtsform der GbR halten. Diese Familien haben sich darauf verlassen, dass sie ihre Kinder auf unkomplizierte Weise langfristig am Vermögensaufbau beteiligen können. Gerade in solchen Familien besteht zudem häufig der Wunsch, auch den Familienmitgliedern bei geändertem Bedarf (Z.B. Heirat, Nachwuchs) die Eigennutzung der Immobilie zu ermöglichen. Sollte hier Eigenbedarf seitens einer GbR geltend gemacht werden, so ist – für eine rechtssichere Durchsetzung des Eigenbedarfs – eine günstige Entscheidung des BGH erforderlich, mit der wohl nicht vor 2027 zu rechnen ist.
Alternativ könnte man vor der Eigenbedarfskündigung die Immobilie aus der GbR mit größerem Aufwand herausnehmen.
Meine Meinung
Nach meiner Meinung wird der BGH bei der Entscheidung zum Post-MoPeG-Eigenbedarfsfall (Kündigung nach dem 31.12.2023) seine bisherige Linie beibehalten wird. Infolgedessen wird er die GbR weiterhin anders behandeln als andere Gesellschaften wie die GmbH, die GmbH & Co. KG oder die Aktiengesellschaft. Diese Einschätzung ist jedoch nicht gesichert.
Die von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission für die Anpassung des Mietrechts sollte sich mit dieser Thematik befassen und der Gesetzgeber sollte im Anschluss für Klarheit sorgen. Trotz der Tatsache, dass das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz von der SPD geführt wird, darf man die Hoffnung nicht aufgeben. Aber mit einer gesetzlichen Klarstellung ist nicht vor 2027 zu rechnen, da die Expertenkommission ihre Ergebnisse bis Ende 2026 präsentieren soll. Und erst danach entscheidet der Gesetzgeber.
Mal sehen, wer die Nase vorn hat. Der BGH oder der Gesetzgeber. The race is on!
Für Personen, die den Kauf einer Immobilie in Erwägung ziehen und mit einem späteren Eigenbedarf rechnen, ist der Erwerb in der Rechtsform der GbR nicht (mehr) empfehlenswert.
Haben Sie Fragen zum Eigenbedarf?
Dann zögern Sie nicht und sprechen einen unserer Experten zum Wohnungsmietrecht an.